Mit seinem ersten, 1855 entstandenen Streichquartett d-moll op. 77 verabschiedete sich der gebürtige Schweizer Joachim Raff fulminant aus Weimar. Seit 1850 hatte er dort Franz Liszt als Assistent gedient und sich in der städtischen Künstlerszene einen Namen gemacht – nun begab er sich auf neue Wege. Das zweite Quartett A-dur op. 90 wurde bereits 1857 in der Kurstadt Wiesbaden komponiert, die für 21 Jahre Raffs Heimat werden sollte.
Die beiden Quartette sind unbedingte Werke: orchestral gedacht, voll energetischer Spannkraft und bisweilen kompromisslos modern. Sie führen selbstbewusst die Beethovensche Tradition fort und zeugen gleichzeitig von der intensiven Auseinandersetzung mit der Musik Richard Wagners in den Weimarer Jahren. Raff wollte in seiner Kammermusik den Fortschritt „auf historisch-naturgemäßem Wege“ erreichen und „den individuellen Gehalt in den vorhandenen Formen niederlege[n]“, wie er dem Wiener Geiger Josef Hellmesberger mitteilte, der das Opus 77 aus der Taufe hob. Die erst 1860/62 gedruckten Quartette fanden illustre Interpreten, u. a. im renommierten Ensemble der Gebrüder Müller, die auch Widmungsträger des Opus 90 sind, und in Joseph Joachim.
In Zusammenarbeit mit dem Joachim-Raff-Archiv Lachen (CH)